Schutzausrüstung des 11. Jahrhunderts in Mitteleuropa

Henry Skodell, Waldsachsen, Version 05/2008

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Rüstmeister des Franco Flämischen Kontingents - Hezilo

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Wir betrachten hier die Schutzausrüstung des 11. Jahrhunderts, im Speziellen zur Zeit der Schlacht von Hastings. Dabei können wir uns nicht auf die wenigen Quellen aus der Region (Nordwest-Frankreich und Süd-England) beschränken. Wir nehmen an, daß die Ausstattung in ganz Mitteleuropa sehr ähnlich war. Deutliche regionale Unterschiede lassen sich aus den Quellen nicht ableiten. Die Grenzen der Gültigkeit dieser Ausrüstungsbeschreibung liegen weit im Osten, z.B. bei typisch osteuropäischen Helmformen und im Süden bzw. Südosten am Mittelmeer. Hier finden wir im Byzantinischen Reich und in den beeinflußten Gebieten zum Teil klare Unterschiede in der Ausrüstung.
Im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts ist zu beachten, daß die Schilde noch nicht mandelförmig waren und die meisten der beschriebenen Helme vermutlich erst im Laufe des 11. Jhds. aufkamen.
Wer mit der hier beschriebenen Ausstattung in den ersten Kreuzzug zieht, ist zwar ein wenig altmodisch gerüstet, aber immer noch sehr authentisch unterwegs.

 

INHALT

- Das Kettenhemd
- Kette am Kopf
- Der Helm
- Der Steppwams
- Der Schild
- Der Lamellenpanzer
- Sonstige Schutzausrüstung
- Weitere Bilder

 

Das Kettenhemd

Die Begriffe Kettenhemd, -panzer, -rüstung, Ringelpanzer, Brünne oder Hauberg können synonym benutzt werden (im weiteren K). Sie bezeichnen den am weitesten verbreiteten eisernen Körperschutz der behandelten Zeit. Es existiert kein Fund eines K aus der Mitte des 11. Jhds. Um uns eine Vorstellung seines Äußeren machen zu können, betrachen wir auch die Zeit vor und nach der gewählten Epoche.

 

(A) Gjermundbuhemd, 10.Jhd.

Sehr kurz, laut Rekonstruktion nur bis knapp unterhalb der Gürtellinie (Hüftknochen) reichend bei eine Körpergröße von 1,75m. Rekonstruktion sehr unsicher, da viele kleine Fragmente. Darunter zum Teil vermutlich Stücke des Helmbehangs. Armlänge: vermutlich max. Mitte Oberarm. Alternierende Reihen vernieteter bzw. komplett geschlossener Ringe.

Vernietete Ringe: Materialquerschnitt von 1,09mm bis 1,4 oder1,68mm, Ringdurchmesser von 7,4mm bis 8,3mm, Häufung bei 7,7mm. Runder Materialquerschnitt. Nietköpfe immer nur auf einer Ringseite, alle Nietköpfe auf der selben Seite des Geflechts.

Geschlossene Ringe: Materialquerschnitt von 1,1mm bis 2mm, Ringdurchmesser von 7,5 bis 8,4mm. Materialquerschnitt ist “abgerundet quadratisch”. Diese Ringe wurden ausgestanzt.

Die genannten Ringdurchmesser sind Außendurchmesser. Es wurden etwa 25000 Ringe mit einem Gesamtgewich von 5,5kg gefunden. (2, 17)

 

(B1) Prag, K des Heiligen Wenzel, frühes 10. Jhd.

Gewicht ca. 10kg. Lang, etwa bis zum Anfang des Knies bei einer Körpergröße von 1,75m. Lange Arme, mindestens bis Anfang Unterarm. Das Hemd wurde in späteren Zeiten vermutlich repariert und modifiziert.

Materialquerschnitt von 0,75mm bis 0,8mm, im Kragen 0,9mm. Vernietete Ringe.

Ringdurchmesser innen, aus eigener Anschauung geschätzt: zwischen 6,5mm und 8mm

 

(C) Moskau, Staatliches Historisches Museum am Roten Platz

Aus eigener Anschauung geschätzt: Länge bis Mitte Oberschenkel. Arme kurz, ca. Mitte Oberarm.

Materialquerschnitt grob 1,5mm, Ringdurchmesser innen ca. 7-8mm. Vernietete Ringe.

 

Bei der Betrachtung dieser drei Hemden ergibt sich folgender Eindruck: Ältere K scheinen in der Länge sehr unterschiedlich, sie enden irgendwo zwischen Gürtellinie und Knie. Sie sind kurzärmlig, maximal wird 1/3 des Unterarms bedeckt. Die Ringe haben flächige Materialquerschnitte (z.B. rund, oval, fast quadratisch o.ä.). Flache Ringe sind nicht bekannt. Die K´s bestehen entweder aus komplett vernieteten Ringen oder aus alternierenden Reihen geschlossener und vernieteter Ringe. Die komplett geschlossenen Ringe sind entweder ausgestanzt (Gjermundbu, 17) oder feuerverschweißt (Coppergate, 8). Die Nieten haben einen runden Materialquerschnitt und sind zumeist aus Eisen, obwohl auch einige Nichteisen-Legierungen gefunden wurden. (8)

 

Als Bildquelle für zeitgenössische K´s bemühen wir natürlich den Teppich von Bayeux. Das spätere Herstellungsdatum und die Umstände seiner Herstellung beeinträchtigen die Qualität dieser Quelle. Die K´s scheinen bis aufs Knie zu reichen und etwa knapp ellenbogenlang zu sein oder bis auf den Unterarm zu reichen. Andere Bildquellen bestätigen diesen Eindruck. Vereinzelt werden handgelenklange Ärmel dargestellt (z.B. Apocalypse von St. Sever, Französische Ritter zwischen 1028 und 1072, Q1).

 

(D1) Teppich von Bayeux. Neben der Länge sind auch das Quadrat auf der Brust und das aus dem Kettenhemd ragende Schwert gut zu erkennen.

 

Jüngere Hemden sind länger. Sie reichen auch über das Knie hinaus und bedecken den kompletten Unterarm, zum Teil auch die Hand in Form eines integrierten Handschuhs. Diese Entwicklung gipfelt im 13. Jhd. im vollständig durch Kette gepanzerten Ritter. Unter den Funden der Schlacht von Wisby, Gotland, 1361, befindet sich auch Kettengeflecht. Es erinnert stark an die o.a. älteren Kettenhemdfunde. Ringdurchmesser mehrheitlich 8-10mm, mit Schwankungen von 4-17mm. Die Ringe haben überwiegend einen runden Materialquerschnitt, jedoch befinden sich auch flache Materialquerschnitte darunter (16). Vermutlich der bisher älteste Beleg für flache Ringe. Hemden des 15. und 16. Jhd. haben dann häufig flache Ringe, die mit einem kleinen Blechdreieck vernietet werden. (8)

 

Zusammenfassung:

Jeder professionelle Kämpfer in Hastings wird ein K getragen haben. Der Schutz durch K´s konnte schlachtentscheidend sein. In der Heimskringla von Sturluson wird beschrieben, wie die Norweger die Schlacht von Stamford Bridge wegen ihres Mangels an Brünnen verloren. Tatsächlich hatten sie ihre Kettenhemden abgelegt und wurden von Harolds Angriff überrascht. Es wird auch beschrieben, daß das K von Harald Hardrada knielang war und sogar einen Namen (Emma) hatte.

Kettenhemden wurden im Laufe der Zeit immer größer. Es scheint die Regel zu gelten, je jünger das K desto weiter reicht es an Armen und Beinen hinunter. Sinngemäß läßt sich vermuten, je höhergestellt und reicher der dargestellte Träger, desto größer das K.

Über Schlitze läßt sich keine eindeutige Aussage treffen. An keinem der genannten erhaltenen K´s sind Schlitze eindeutig zu bestimmen. Abbildungen und praktische Überlegungen lassen Schlitze jedoch stark vermuten. Je länger ein K desto wahrscheinlicher werden Schlitze. Aber es gibt aus allen Zeiten Bildquellen von K´s mit und ohne Schlitze. Schlitze können vorne, hinten und an den Seiten vorhanden sein. Längere Hemden, insbesonders von Kavalleristen, waren vermutlich vorne und hinten geschlitzt.

Die Abschlußkanten sind gerade.

Ein Schlitz im Kragen ist bei einigen K´s nachgewiesen.

Eine Erscheinung in der 2. Hälfte des 11. Jhd und im 12. Jhd. scheint der seitliche Schlitz für das Schwert zu sein. Nur der Schwertgriff ragt aus dem Loch hervor, der Rest der Scheide liegt unter dem Hemd. Auf dem Teppich von Bayeux ist es zu sehen (siehe D). Diese Trageweise können wir noch einmal bei der zeitlich späteren Figur am Hildesheimer Dom (siehe K), beim “Massacre of the Innocents” (I3) und an der Kathedrale von Angouleme (siehe U) sehen. Frühere Hinweise sind nicht bekannt.

Eine weitere Besonderheit sind die auf Abbildungen zu erkennenden Quadrate auf der Brust. Was sie darstellen ist umstritten. Möglich sind eine Verstärkung des K im Brustbereich oder ein Latz, der hochgebunden Hals und Gesicht schützt. Für die Variante des Hochklappens sprechen die Haken an den Nasalen der gefundenen Helme. Siehe weiter unten. Ein solcher Haken macht nur Sinn, wenn dort etwas eingehängt wird. Der Latz müßte zusätzlich an den Seiten des Kopfs befestigt werden, um eine sinnvolle Konstruktion zu ergeben. Gegen diese Theorie sprechen die Bilder des Teppich von Bayeux. Wenn es sich um einen Latz handelt, warum ist er selbst in den dargestellten Kampfszenen nie hochgebunden? Zwar sind in den Kampfszenen die Quadrate oft nicht mehr auf der Brust zu sehen, jedoch ist das Gesicht noch genauso komplett dargestellt wie zuvor. Da ich die Helmfunde für aussagekräftiger halte als den Teppich, gehe ich von der Möglichkeit eines Latzes aus. Siehe auch I7.

Es gibt auch zeitgenössiche Bilder ohne dieses Quadrat.

Da Kettenschutz an Beinen und Füßen in den Bildquellen zur Zeit der Eroberung oder davor extrem selten anzutreffen ist, sollte er, wenn überhaupt, nur von den hochrangigsten Mitgliedern in Williams Armee getragen werden. Bischof Odo trägt auf dem Teppich von Bayeux einmal solche Kettenbeinlinge, William mehrmals. Spätere Quellen zeigen sie dann in großer Häufigkeit.

Kettenhemden könnten beschichtet gewesen sein. Aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit gibt es Hinweise auf eine Verzinnung. Und es existiert ein versilberter Kettenpanzer (10.Jhd.) im archäologischen Nationalmuseum Sofia (1). Da es für unsere Zeit und Region keine Hinweise gibt, ist eine Beschichtung unwahrscheinlich.

Die Ringe waren vernietet oder komplett geschlossen. Die Materialstärken und Ringdurchmesser schwanken stark, so das wir annehmen können, daß es hier viele Varianten gegeben hat.

Alle Angaben in mm. Nahezu sämliche Ringfunde befinden sich innerhalb der grünen Fläche. Einige einzelne Ringe erreichen Größen von bis zu 2,9mm Materialstärke und von fast 15mm Außendurchmesser. Ausreißer nach unten gibt es keine. Interessanterweise zeigt sich die Tendenz, daß es bei älteren Funden noch eher die dickeren Ringe gibt (6./7. Jhd.), während die jüngeren Funde mehr die kleineren Materialdurchmesser aufweisen (8.-10. Jhd.). Ein sehr ähnliches Diagramm verwendet im übrigen auch die englische Reenactmentgruppe “The Vikings”, die Organisatoren der Schlacht von Hastings. (20)

Die Ringe haben “flächige” Materialquerschnitte. Auch hier gibt es viele Varianten (rund, oval, fast quadratisch). Sogar “nußförmige” Querschnitte sind bekannt. (Ein eingerolltes und zusammengerostetes K aus Kungslena, Schweden, evtl. 1208, 15,3kg, Ringdurchmesser außen 11mm).

Für Ringe mit flachem Materialquerschnitt fehlen momentan Belege. Sie sind erst aus dem 14. Jahrhunder und später bekannt, können aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden.

Kettengeflecht aus unverschlossenen Ringen gab es im Mittelalter nicht. Einer der ältesten Belege für offene Ringe in Deutschland ist eine Fußpanzerung an einem Reiterharnisch von Kurfürst Christian I von Sachsen aus dem Jahr 1582 (F2).

 

(I7) Notre Dame du Port, Clermont-Ferrand, Frankreich, mitte 12. Jhd. Diese Plastik datiert zwar etwas später, aber sie zeigt sehr deutlich einen hochgebundenen Latz. Rechts bleibt das Gesicht trotz des hochgebundenen Latzes frei.Links könnte es sich um einen am Nasal eingehakten Latz handeln. Nebenbei ist der Schulterriemen des Schildes gut zu erkennen.

 

(I3) Massacre of the Innocents, MS. Nero, C, um 1125, British Museum. Schwertscheide unter dem Kettenhemd. Schwert auf der rechten Seite. Seitlich geschlitztes K.

 

(E) “German Infantry Warrior, 1130-1140”. Abteikirche von Andlau im Elsaß. K´s scheinen auch in späteren Zeiten nicht unbedingt geschlitzt zu sein.

 

Anmerkung

“Kettengeflecht wurde in –zig verschiedenen Qualitäten, Größen und Gewichten hergestellt und ist fast unmöglich genau zu datieren. Da es aus Eisendraht besteht, ist es sehr rostanfällig. Es ist deshalb kaum verwunderlich, daß die meisten erhaltenen mittelalterlichen Exemplare fragmentarisch und von ungewisser Herkunft sind. Trotzdem, sorgfältig gesäubert und eingeölt (...) sind sie fast unbegrenzt haltbar. Nicht jeder von gemeinen Soldaten benutzte Ringelpanzer war brandneu und in gutem Zustand. Es ist daher wahrscheinlich, daß einige schon damals sehr alte Stücke am Ende des Mittelalters immer noch in Gebrauch waren (13).” Dies dürfen wir entsprechend auch für die hier beschriebene Epoche annehmen. 

 

Empfehlung:

Jeder Kämpfer soll ein K tragen. Bogen- und Armbrustschützen sollen kein K tragen.

Mitte Oberschenkel bis Knielang. Mitte des Oberarms bis maximal bis zur Mitte des Unterarms. Keine Kettenpullunder, keine Langarmhemden. Komplett aus vernieteten Ringen oder mit ganz geschlossenen Ringen gemischt. Vernünftige Materialstärken (0,8-2mm) und Ringdurchmesser (außen ca. 7-12mm). Siehe Diagramm weiter oben.

Knielange Hemden sollten geschlitzt sein. Am besten vorne und hinten. Kürzere Hemden müssen nicht geschlitzt sein. Kragenschlitz. Eisen, kein Aluminium, Buntmetall oder Edelstahl. Keine Einfassung.

Je reicher je größer. Oberschicht sowie explizite Normannen- und Angelsachsendarsteller können einen Schlitz für das Schwert haben. Quadratischer Latz auf der Brust bei knielangen Hemden möglich, aber nicht zwingend nötig.

Gerade Abschlußkanten. Nicht gezackt, nicht gewellt, nicht verziert.

Kein Kettenschutz an Beinen und Füßen.

Personen, die ein Kettenhemd verwenden, sind wohlhabend oder haben Zugang zu teurer Ausstattung, z.B. weil sie von einer hochrangigen Person ausgestattet werden. Dies muß auch die übrige Ausrüstung wiederspiegeln.

 

(F) Vernietetes Geflecht aus flachen und runden Ringen.

 

Kette am Kopf

Die zeitgenössischen Hinweise erwecken den Eindruck, als wären folgende Möglichkeiten denkbar:

. Kettenhaube fest ins Hemd integriert

. Kettenbehang am Helm

. Separate Kettenhaube

. Kein Kettengeflecht am Kopf

 

Die Ausführung eines Kettenhemdes mit Haube aus einem Stück kann als sicher gelten. Obgleich natürlich kein Exemplar gefunden wurde, ist die Masse an entsprechenden Bildquellen so erdückend, daß an dieser Version des Kopfschutzes kein Zweifel aufkommen dürfte. (Teppich von Bayeux, Great Seal of Henry I, Bibel von St. Etienne, Teppich von Baldishol, Apocalypse von St. Sever, usw.)

 

(N1) Aus der Beatus-Apokalypse, die ins 10. Jhd.(975?) datiert wird (im Besitz der Kathedrale von Gerona). Die ungewöhnliche Ausrüstung ließe eine spätere Datierung vermuten. Die Kämpfer sind bis auf die Hände komplett durch Kette geschützt. Auch an den Beinen und Füßen. Mindestens ein Helm hat die phrygische Form (Detail unten links). Die Schilde erinnern an orientalische Vorbilder. Es ist zugleich ein Beleg für Nasale im 10. Jhd, da sowohl Helme mit und ohne Naseneisen (wie im 10. Jhd. ansonsten üblich) abgebildet sind.

 

(L) Elfenbeinsitula (Weihwasserkessel) Lotharingen nach 1000 (heute im Domschatz von Aachen).  Kettenschutz am Kopf war auch unmittelbar vor der Zeit des Eroberers üblich.

 

(M) Evangeliar von Echternach (Codex aureus Epternacensis), zwischen 1030 und 1050 (eher 1030). Heute Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Hs. 156 142). Als zeitgenössische Quelle für integrierte Hauben steht der Teppich von Bayeux nicht alleine.

 

(F) Fresko aus der Krypta der Basilika von Aquileia (Provinz Udine, Norditalien) aus dem frühen 12. Jhd.

 

(J) Zwei Ritter aus dem “Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis” von Petrus de Ebulo (Codex 120 II der Burgerbibliothek Bern). Das komplette Bild zeigt außerdem den Würzburger Bischof Konrad von Querfurt und stammt aus der Zeit um 1200. Diese Bilder zeigen, daß angesetzte Hauben auch in späterer Zeit der Standard zu sein scheinen.

 

Neben den ins Hemd integrierten Hauben gab es auch direkt an den Helm angebrachtes Geflecht. Dieses wird manchmal als Aventail oder Helmbrünne bezeichnet. Aventail wird manchmal auch nur für den Latz benutzt, der ggf. vor das Gesicht gezogen wurde.

 

(I1) Der Kämpfer trägt im Gegensatz zu den meisten anderen kein Kettenhemd. Von seinem Helm hängt Kettengeflecht den Kopf herab. Krieger des frühen 11. Jhds, so dargestellt in “The Vision of Habukuk” aus der nordfranzösischen Bibel des Benediktinerklosters Saint-Vaast in der Nähe von Arras. (MS 435, Bibliothèque Municipale, Arras)

 

(H) Spanischer Ritter nach einem Bild in einem Kodex aus dem Kloster von Santo Domingo von Silos (Selos) bei Burgos von 1091 oder 1109. The British Library, Add. Ms 11695 (Abschrift des Kommentars von Beatus von Liebana zur Johannesapokalypse)

 

(E2) Kirche St. Nectaire in Südfrankreich, spätes 11./ frühes 12. Jhd. Deutlich ist der vom Hemd abgesetzte Kopfschutz zu erkennen. Entweder eine seperate Kettenhaube (eigentlich zu kurz) oder vermutlich am Helm befestigter Schutz.

 

Helm von Pecs, Ende 10. Jhd: “Am unteren Rand der Kalotte befinden sich noch die Reste der Ringbrünne.” (4)

Helm von Ostrow, 11./12. Jhd: “Am Helmrand befinden sich Durchbohrungen, die zur Befestigung des Nackenschutzes dienten.” (4)

Helm des heiligen Wenzel, 10Jhd: “Der untere Teil des Helmes ist mit einem Eisenband vernietet, an dem (...) der Nackenschutz befestigt waren.” (4)

Am Gjermundbuhelm sind noch Reste eines Kettenbehangs vorhanden. Die Ringe sind in Löcher am unteren Rand des Helmes eingehängt. (3)

All diese Hinweise zusammen genommen, erscheint die Vorstellung, Kettengeflecht direkt am Helm anzubringen, keinesweg als abwegig.

 

Separate Hauben, die weder am Hemd angeknüpft noch am unteren Rand des Helms befestigt wurden, sind schwer zu belegen. Allerdings können die meisten Abbildungen des Schemas “Helm + Kettengeflecht an Kopf und Körper” nicht eindeutig interpretiert werden. Manche könnten eventuell auch separate Hauben darstellen. Würde eine Kettenhaube unter dem K getragen, so wäre das auf einer bildlichen Darstellung kaum zu identifizieren und würde den gleichen Eindruck erwecken, wie K und Haube aus einem Stück. Der schützende Effekt wäre der gleiche. Die Kettenhaube wird auch als Coif bezeichnet.

Dennoch ist die integrierte Haube eher zu vermuten. Ich habe nur zwei gute Belege für eine separate Haube gefunden, und die datieren ins 12. Jhd. Siehe auch (T).

 

(K) Von der Front des Hildesheimer Doms. Achtung! Könnte da bitte mal einer nachsehen, der in der Nähe wohnt und ein besseres Bild machen. Danke!

 

Die Belege für die Möglichkeit, wonach der Kopf überhaupt nicht durch Kettengeflecht geschützt wurde, sind widersprüchlich. Wir wissen, es gab Helme ohne Kettenbrünne. Außerdem haben wir jede Menge Abbildungen von Kriegern in Tunika und solchen Helmen. Und es gab Kettenhemden ohne integrierte Kettenhaube. Denn die Helme mit Kettengeflecht wurden aller Wahrscheinlichkeit nach zu Hemden ohne Hauben getragen. Haube am Hemd und Geflecht am Helm erscheinen höchst unlogisch.

Nun wäre es aber doch verwunderlich, daß niemals ein Helm ohne Behang zu einem Kettenhemd ohne Haube getragen wurde. Ich kenne jedoch nur eine einzige Bildquelle für das Schema “Helm – keine Kette am Kopf – Kettenhemd”. Zu Kettenhemd ohne Haube siehe auch das Bild einiger Reiter auf dem Teppich von Bayeux, weiter unten im Kapitel “Steppwams” (D).

 

(G2) Siegel Wilhelm des Eroberers. Klar ist der obere Abschluß des Kettenhemdes zu erkennen, darüber der nackte Hals. Der Helm ist sehr ungewöhnlich.

Alle anderen Bildquellen unserer Epoche und kurz davor/danach zeigen bei Kämpfern im Kettenhemd und mit Helm auch immer einen Kettenschutz am Kopf. Achtung! Wenn da jemand was gegenteiliges hat, bitte melden! Danke!

 

Empfehlung:

Jeder Kämpfer, der ein Kettenhemd und einen Helm trägt, soll auch einen Kopfschutz aus Kettengeflecht tragen. Optimaler Weise als ins Hemd integrierte Haube oder auch als am Helm befestigte, sog. “Helmbrünne”. Die Version einer separaten Kettenhaube sollte nach Möglichkeit vermieden werden, kann aber nicht entgültig widerlegt werden. Bei Benutzung unter das Kettenhemd ziehen. Direkt auf dem Kopf wurde sicherlich eine Haube oder Kappe getragen, damit das Geflächt nicht die Haut berührt. In späteren Jahrhunderten ist dies belegt, für unsere Zeit gibt es keine Beweise. Auf einen Kopfschutz aus Kette können eigentlich nur Bogenschützen verzichten, da diese entweder nur einen Helm oder eine gepolsterte Kappe tragen.

 

Der Helm

“ Als Typ ist der Augsburger Nasalhelm durch den ‚Teppich von Bayeux‘, die Darstellung des Sieges von Wilhelm dem Eroberer in der Schlacht von Hastings 1066, gut bekannt: Die Reiter und Fußsoldaten in knielangen Kettenhemden tragen als Kopfschutz solche spitzkonische Nasalhelme. Nur fünf direkte Vergleichsstücke liegen dagegen als Original aus Europa vor (...). Aus Deutschland ist der Augsburger Helm bisher das einzige vollständige Exemplar. Wurde diese Helmform öfter als ‚Normannenhelm‘ bezeichnet, zeigen die wenigen Fundorte, daß sie sich von West nach Ost (...) verbreitet hat und charakteristisch für die Schutzbewaffnung von Kriegern und Rittern im 11. und 12. Jahrhundert in Europa war.” (6)

 

(O) Augsburger Helm, Eisen, 11. oder Anfang 12. Jhd. Süddeutschland. Aus einem Stück getrieben. Trapezoid geformter, sehr massiver Nasal. Am unteren Ende des Nasals ein Haken, vermutlich zur Befestigung eines Gesichtsschutz.

 

(P1) Olmütz Helm, Eisen, 11. / 12. Jhd. Mähren, Tschechei. Aus einem Stück getrieben. Deutlicher Mittelgrad. Endete vermutlich auch in einem heute abgebrochenen Haken.

 

(P2) Helmfund aus der Maas (NL), Eisen, 11. / 12. Jhd. Aus einem Stück getrieben. An der Helmspitze ein Stift, in den eine herzförmige Öse eingehängt wurde. Kleines Nasal mit Vertiefungen in Längsrichtung.

 

(B2+W1+CC1) Helmfund aus Ostrow Lednicki (Kreis Gniezno) in der Provinz Posen in Polen. Eisen, 11. / 12. Jhd. Aus einem Stück getrieben. Leicht trapezoider Nasal. Haken am Nasal.

 

(AA) Helm aus Privatbesitz. Dem Helm aus Olmütz sehr ähnlich, jedoch flacher. Deutlicher Mittelgrad. Am unteren Rand fehlen rundum ca. 5mm. Heutiges Gewicht: 958g, im Original wohl knapp über 1kg.

Diese fünf Helme haben alle die gleichen Merkmale (der Helm des Heiligen Wenzel gehört auch zu diesem Typ). Ihre Höhe beträgt 27,5cm, 26,5cm, 24,2cm, 24,4cm, 19,5cm (Ausreißer) vermutlich vom unteren Nasalende zur lichten Höhe der Spitze gemessen. Sie sind allesamt spitzkonisch, aus einem Stück gearbeitet, mit Nasal und aus Eisen gefertigt.

 

Die Helme in Bildquellen sind ebenfalls spitzkonisch und meist mit Nasal abgebildet.

 

(Q1) Apokalypse von St. Sever, zwischen 1028 und 1072. Französiche Ritter reiten auf Ungeheuern. Offensichtlich Helme aus mehreren Segmenten.

 

(Q2) St. Augustine´s Commentaries, spätes 11. Jhd. Goliath und David. Der Helm scheint aus vielen Teilen zu bestehen. Mehrere Platten oder Platten und Spangen.

 

(G1) Aus Geweih geschnitzte Figur aus Sigtuna in Schweden, 11. Jhd. Die runden Verzierungen könnten Nieten darstellen und auf einen Helm aus mehreren Platten hindeuten.

 

(Q3) Englischer Theng, ca. 1050. Auch dieser Helm scheint aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Das senkrecht verlaufende Band und das Stirnband legen die Vermutung nahe, es könnte sich um einen “Spangenhelm” handeln. Man beachte auch das zwar kleine, aber vorhandene Nasal.

 

(I2) Helmfund aus der Themse oder aus Nordfrankreich. Das Naseneisen wurde später restauriert. Die Nahtstellen befinden sich vorne rechts und links sowie hinten rechts und links. Wenn man den Helm von oben betrachtet und das Nasal nach oben legt, ergeben die Nähte ein X.

Die Bildquellen und besonders der Helmfund aus der Themse zeigen einen Helmtyp, der aus Segmenten zusammengefügt war. Die Segmente wurden entweder direkt aufeinander genietet (z.B. Themsefund und mehrere osteuropäische Helme) oder sie wurden an einem Gerüst aus Spangen befestigt. Auch diese Helme sind von spitzkonischer Form und sicherlich mit einem Nasal versehen. Diese “Spangenhelme” gelten als sehr wahrscheinlich, obwohl nicht ein einziges erhaltenes Exemplar existiert. Zahlreiche zeitgenössische Bildquellen und Helmfunde früherer Epochen untermauern diese Annahme.

Eine Sonderform des spitzkonischen Helmtyps ist die phrygische Form. Bei solchen Helmen scheint die Spitze etwas nach vorne gezogen. Diese Helmform findet ihr Gegenstück in der textilen Kopfbedeckung. Allem Anschein nach kam diese Form erst später in Mode. Es existieren einige Abbildungen aus früherer Zeit (siehe N). Jedoch nimmt die Häufigkeit ihrer Darstellung um das Jahr 1100 und dann im ganzen 12. Jhd. enorm zu. 

 

Es gab auch Helme, die nicht der spitzkonischen Form entsprachen. Helme von halbkugeliger Kalotte (und auch ohne Nasal) sind sowohl aus karolingischer und ottonischer Zeit (siehe L), als auch aus dem 12./13.Jhd. bekannt (siehe F). Es gibt weniger zeitgenössische Abbildungen als von spitzkonischen Helmen. Ihre Existenz im 11.Jhd kann als sicher gelten, obwohl sie vermutlich nicht so verbreitet waren wie die spitzkonische Variante.

Zwei erhaltene Exemplare:

 

(R) Helm aus Niederrealta

Kalottenhelm aus Niederrealta, Graubünden, Schweiz . Eisen, 11. / 12. Jhd. “Helm mit Halbkugeliger Kalotte, die aus einem Stück getrieben ist. Eiserner Stirnreif an Ober- und Unterkante mit je einer Reihe aus 63 bzw. 64 kegelförmigen Nieten befestigt, dazwischen ein doppeltes Wellenband aus kleinen Kreispunzen. Stirnreif und Niete sind verzinnt.” (7). Offensichtlich kein Nasal.

 

(S2) Helm aus Chamoson (links). Der rechte Helm ist sehr ähnlich, ggf. handelt es sich um die Rückseite. Gewicht 1,5kg, Höhe 17,5cm, Länge 20cm, Breite 18cm (22)

“Der Fund eines (dem Chamoson-Helm) sehr ähnlichen Helmes aus der Burgstelle von Niederrealta, Kanton Graubünden, im Jahre 1961 erlaubt jetzt eine Datierung dieser ursprünglich in Norditalien beheimateten Helmform in das 12. und 13. Jahrhundert. Hierzu ist aber festzuhalten, daß über zeitgenössische europäische Darstellungen und den Helm von Gjermundbu rundglockige Helmformen auch für das 10. Jahrhundert nachgewiesen werden können.” (9).

Wangenklappen sind von deutlich älteren (Coppergate, York, England, ca. 750) und jüngeren Helmen (Schachfigur von Lewis, Schottland, 12. Jhd.) bekannt. Es könnte sie auch im 11. Jhd. gegeben haben. Da sie jedoch auf keiner zeitgenössischen Quelle zu identifizieren sind, ist ihre Verwendung sehr zweifelhaft. Wenn überhaupt dürften sie eine sehr geringe Verbreitung gehabt haben.

Es könnte bemalte Helme gegeben haben. Abbildungen von bunten Helmen deuten darauf hin. Eindeutige Aussagen sind hier, genau wie zu den ggf. verwendeten Farben, nicht möglich. An den erhalten Helmen wurden keine Farben gefunden.

 

Nasal

Im 10. Jhd. hat die Mehrheit der bildlich dargestellten Helme keinen Nasal. Es gibt aber einige Ausnahmen, die das Nasal bereits vor dem Jahr 1000n.Chr. zeigen. Ab dem frühen 11. Jhd. sind Nasale eindeutig belegt.

 

(S1) St. Gallen um 925. Leiden, Universitätsbibliothek, Ms. Periz. F17, fol. 22r (1.v.l.), 9r (2.v.l.), weitere
Die obere Reihe zeigt Helme mit Nasal.
Die untere Reihe zeigt Helme ohne Nasal vom jeweils selben Blatt.

Deutlich zu erkennende Nasale, zum Teil sogar mit dem typischen Haken am unteren Ende. Interessanterweise haben die vielfach dargestellten getragenen Helme keinen Nasal. Nur die heruntergefallenen Helme sind mit Nasal gezeichnet. Eventuell gab es eine Malregel, so daß Gesichter immer ganz dargestellt wurden.

 

(DD) Kreuz von Middleton, Ryedale, North Yorkshire, England, 10. Jhd. (Jellingstil). Wikinger mit spitzem Nasalheln, Schwert, Sax, Speer und Schild.

Vor und nach der behandelten Epoche gibt es viele Belege für Nasalhelme. Z.B. merowingerzeitliche Spangenhelme, wendelzeitliche Helme, usw. Diese Kontinuität und die hier gezeigten Bilder (S1, DD, N1) belegen die prinzipielle Existenz des Nasal bereits im 10. Jhd

 

Ausschnitt von (N1)

 

Anmerkung:

Ähnlich wie bei den Kettenhemden ist die Datierung von Helmen schwierig. Es sind Objekte aus Eisen, und als Einzelfund quasi undatierbar.

 

Empfehlung:

Jeder Kämpfer soll einen Helm tragen. Bogenschützen können.

Erste Wahl: Spitzkonische eiserne Helme. Gerades oder trapezförmiges Nasal. Aus einem Stück oder aus aufeinander genieteten Platten.

Spitzkonische Helme aus Segmenten und Spangen sind ebenfalls möglich.

Halbkugelige Kalotten aus einem Stück können auch verwendet werden. Sie sollten in der Minderheit sein und kein Nasal besitzen.

Helme mit Wangenklappen, spitzkonische Helme ohne Nasal und phrygische Formen sollten vermieden werden. (Nur nach Rücksprache mit dem Rüstmeister verwenden!)

Wenn Helmbemalung, dann in rot-grün. Keine extrem grellen Farben oder Glanzlacke.

Bogenschützen können eine verstärkte Kappe tragen. Diese sollte einer zeitgenössischen textilen Kopfbedeckung entsprechend aussehen und innen versteckt “gepanzert” sein.

 

Der Steppwams

Der Steppwams, Gambeson oder Aketon ist eine Rüstung aus organischem Material (Textilien oder Leder). Die prinzipielle Existenz einer solchen Rüstung im frühen Mittelalter ist belegt.

"Als sich im Jahre 926 die Kunde vom Herannahen der Ungarn im Kloster St. Gallen verbreitete, bewies der damalige Abt Engilbert Führungsqualitäten: Er ließ eine Fluchtburg errichten und Waffen und Schilde improvisieren. Dann legte er einen Panzer unter seiner Kukulle an und befahl seinen Brüdern, es ihm gleich zu tun. So fertigten sie Panzer aus Filzstoffen an." (10)

Saint Olaf´s Saga records some huscarls wearing jerkins at the battle of Stiklestad in 1030; these were made of reindeer hide and we are told "that no weapon could cut or pierce them any more than they were armour of ring mail, nor even so much" (11) - Sturluson, in the Heimskringla, mentions the gift of 13 body armours of reindeer hide to King Olaf the Saint. (12)

“Neben Panzern, die, (...), aus Leder oder Horn bestehen konnten und alternativ zu den eisernen getragen wurden, gab es starke Gewänder aus Filz oder wattiertem, gestepptem Stoff, die ebenfalls als Rüstung dienten. (...) Die (griechisches Wort) waren also nichts anderes als verstärkte Filzkleider oder Filzdecken, die oft auch einen Stich oder Hieb standhalten konnten. (...) sollten nur bis zu den Knien reichen. Sie hatten kurze breite Ärmel, (...)  Sie waren aus einer Mischung aus Baumwolle und (offensichtlich minderwertiger) Seide zusammengesetzt, eine Verbindung, die wahrscheinlich vor allem wegen ihrer Dicke besonders widerstandsfähig war. Sie dürften gefilzt, gesteppt oder wattiert gewesen sein.” (1). Dies ist der Tactica (ca. 900) und weiteren byzantinischen Werken zur Kriegsführung zu entnehmen. Auch über die Dicke dieser Panzer wird eine Aussage gemacht. Sie sollen ca. 4cm stark gewesen sein. (Ahketon = al Q´tun = aus Baumwolle)

Weitere Argumente für die Existenz im 11. Jhd. sind praktische Überlegungen. Ein K war sehr teuer im Vergleich zu einem Steppwams. Ein Kämpfer, der sich kein K leisten konnte, hat vermutlich trotzdem versucht sich zu schützen. Auch unter einem K macht ein Steppwams Sinn. Er vermindert das Scheuern und absorbiert die Wucht der Schläge, während das K den Waffen nur die Schärfe nimmt.

 

(D1) Teppich von Bayeux. Hier könnten Kettenhemden mit und ohne Haube dargestellt sein oder Gambesons und ein Kettenhemd. Leider ist bei den Rüstungen links die Brust nicht zu sehen.

 

(D2) Teppich von Bayeux. Bischof Odo (rechtes Bild) trägt hier eine auffallend andere Rüstung als der Rest. Im gesamten hinteren Teil des Teppichs, der die Schlacht von Hastings zeigt, werden Kettenhemden mithilfe kleiner Kreise dargestellt. Lediglich Odo und der Kämpfer auf dem linken Bild zeigen eine andere Rüstung. Evlt. einen Gambeson? Siehe auch Z.

Glaubt man der Theorie, das die Abbildungen Gambesons zeigen, so ist fast jede Art der Steppung denkbar (Rauten, Quadrate, u.ä.). Spätere Steppwämse sind mit vertikaler Steppung abgebildet (siehe z.B. die Maciejewski Bibel, ca. 1250)

 

(F) Romanische Kathedrale von Cluny III, Burgund, Frankreich
Links: Fragment der Verzierung des Hauptportals (1115-1125)
Rechts: Kapitellverzierung, Darstellung der freien Künste, hier der Rhetorik. (Ende 11. / Anfang 12. Jhd.) (23)

Bei der linken Skulptur ist ganz klar ein Kleidungsstück sichbar, das zwischen dem Ärmel der normalen Kleidung (der in Falten liegende Teil ganz links, der in der Abbruckkante ausläuft) und der Rüstung zu erkennen ist. Es kommt unter der Rüstung hervor. Die Quadrate der Rüstungen beider Bilder können abgesteppte Gambesons oder Kettenhemden darstellen.

Gegen Gambesons spricht die schlechte Quellenlage und die Überlegung, daß Knochenbrüche in jener Zeit durchaus erfolgreich behandelt werden konnten, wohingegen gefürchtete offene Schnittwunden, die leicht infizierten Wundbrand verursachten, bereits durch das K vermieden wurden. Gegen den Gambeson als Polster spricht auch, daß die gut belegbaren spätmittelalterliche Steppwämse nicht gepolstert waren, sondern aus unzähligen Lagen Leinen bestanden, um Pfeilbeschuß abzuhalten.

 

Empfehlung:

Keine Empfehlung zur Frage: Steppwams - ja oder nein.

Wenn man sich für einen Steppwams entscheidet, so sollte er nicht allzu dick sein, wenn er unter dem K getragen wird. Keine Abbildung läßt einen dickeren Körper unter dem Kettenhemd vermuten, im Vergleich zu Ungerüsteten. Der Schnitt sollte in etwa dem des Kettenhemds entsprechen und unten nicht zu weit darunter hervorragen.

Ein Steppwams als alleinige Körperrüstung sollte nur von einer kleinen Minderheit armer Kämpfer verwendet werden.

Über Details wie Steppmuster, Kragen, eventuelle Öffnung und Verschlüsse u.s.w. lassen sich keine belegbaren Aussagen machen. Vorschläge für Steppmuster: vertikale Streifen, Rauten, Quadrate. Eine Öffnung im Rücken ist denkbar, oder ohne Öffnung, wie bei einer Tunika.

Zur Herstellung nur Leinen, Wolle, Wollfilz und ggf. Leder verwenden. Auf die Verwendung von Baumwolle und Seide sollte verzichtet werden.

 

Der Schild

 

(N2). Rotgrüner mandelförmiger Schild. Aus der Bibel des Benediktinerklosters Saint-Vaast in der Nähe von Arras. (MS 435, Bibliothèque Municipale, Arras), frühes 11. Jhd.

Im 11. Jhd. wurden drei Schildtypen verwendet: Rundschild, ovaler Schild und mandelförmiger Schild.

Der Rundschild war schon viele Jahrhunderte zuvor bekannt und wurde bis ins 12. Jhd. und darüber hinaus verwendet. Siehe E, I1, Q2, Q3, U. Dieser Typ  ist für das gesamte 11. Jhd. belegt. Er ist aus einzelnen Holzplanken aufgebaut, hat einen zentralen Griff, die sog. “Schildfessel” und einen eisernen Schildbuckel.

Links: (G3) Gokstadschild.
Rechts: (D) Rundschilde auf dem Teppich von Bayeux.

Relativ bekannt ist der sog. “Gokstad-Schild” (Norwegen, um 900), aber es gibt zahlreiche weitere Hinweise auf das Erscheinungsbild dieses Schildtyps. (Funde von Schilden und Fragmenten, Abbildungen, Skulpturen, Literatur)
Die Größen variieren stark; Von nur 42cm bis über 1m. Die Mehrheit mißt zwischen 75 und 95cm. Die Dicke beträgt zwischen 5-10mm, wobei die Dicke zum Rand hin immer mehr abnimmt
Etliche Schilde bestanden sicherlich nur aus einem nackten Holzkörper. Es gibt jedoch auch Hinweise auf Bespannungen aus Leder, Rohaut oder Textil (vermutlich Leinen). Der Rand war bei einigen Exemplaren mit Metall verstärkt. Kleine U-förmige Plättchen, die um den Rand befestigt wurden. Auch eine zusätzliche Verstärkung mit einem seperaten Leder/Rohautstreifen ist denkbar.
Für weiterführende Details empfehle ich die hervorragende Internetseite zum Thema von Peter Beatson:
http://members.ozemail.com.au/~chrisandpeter/shield/shield.html

Rundschilde können flach oder gewölbt sein. Flache Schilde sind klar belegt, die Existenz von Gewölbten kann als sicher angenommen werden. Gewölbte Rundschilde müssen nicht zwingend einen Buckel gehabt haben.

 

Der ovale Schild taucht vereinzelt in Abbildungen und figürlichen Darstellungen auf und es existiert glücklicherweise auch von diesem Typ ein archäologischer Fund.

Links: (EE) Oval / Eiförmiger Schild aus Trondheim, Norwegen. Spätes 11. - frühes 12. Jhd.
Mitte: Detail aus (L). Elfenbeinsitula (Weihwasserkessel) Lotharingen nach 1000 (heute im Domschatz von Aachen).
Rechts: (D) Teppich von Bayeux.

Der Schildfund aus Trondheim weißt folgende Eigenschaften auf: Höhe ca. 100cm, Breite ca. 50cm, Dicke 1,0cm. Zwei Lagen Holz, 90Grad versetzt angeordnet. Leicht gewölbt (nicht gebogen)! Vermutlich Eichenholz oder ein ähnlich dichtes Laubholz. Kein Griff erhalten, eine Riemenkonstruktion wird angenommen (siehe “mandelförmiger Schild” im nächsten Absatz). Komplett mit Rohhaut bespannt! Rohaut am Rand entlang vernäht. Lochabstand 1cm, Lochdurchmesser 1mm. (24)
Ähnliche Schilde zeigt der Weihwasserkessel im Domschatz von Aachen (L), der nach 1000 datiert.
Auch auf dem Teppich von Bayeux ist ein ovaler Schild zu finden. Anders als die meisten Schilde des ovalen Typs ist er mit einem Schildbuckel dargestellt.

 

Der mandelförmige Schild taucht im 2. Viertel des 11. Jhds das erste mal in Nordwesteuropa auf. Er erlebt in der 2. Hälfte des 11. und im 12. Jhd. seine größte Popularität und ist auch unter den Namen Normannenschild, Kiteschild, Drachenschild oder tropfenförmiger Schild in der einschlägigen Literatur bekannt. In Byzanz ist er seit dem ausgehenden 10. Jhd. bekannt. Einige Autoren vertreten auch die These, Byzanz habe Westeuropa in der Kriegstechnik im späten 10. / frühen 11. Jhd. beeinflußt. Dies ist auch im Hinblick auf den Lamellenpanzer interessant (siehe weiter unten). Einfluß in Gegenrichtung fand dann rund 100 Jahre später ab dem ersten Kreuzzug statt. (1)

Der typische Schild auf dem Teppich von Bayeux ist ein länglicher, sich nach unten verjüngender Schild mit runder Oberkannte. Siehe diverse Abbildungen in diesem Text. Er kann unten spitz zulaufen (Q4, M, J) oder in einer Rundung enden (Q5, D4). Seine Form schwankt von einer “schlanken” (W2, I4) bis zu einer “bauchig, ei-förmigen” (Q5, W3, Y) Figur. Im Gegensatz zu den beiden anderen Schildtypen existiert kein einziger Fund.

 

(D) Schilde auf dem Teppich von Bayeux.

 

(Y) Schild des Arnold von Brienz, um 1200. Original im Schweizerischen Landesmuseum, Zürich, LM-3405,178. Das älteste im Original erhaltenen Schild dieser Form. Ob es sich um einen abgesägten, älteren Schild des mandelförmigen Typs oder um einen um 1200 in dieser Form hergestellten Schild handelt, ist umstritten. In jedem Fall ergibt die Ergänzung einen guten Eindruck der früheren Schildform, aus der dieser Schild hervorgegangen ist. Das erhaltene Original ist noch 87cm hoch, damit wäre der rekonstruierte Schild ca. 109cm hoch. Eine durchaus realistisches Maß. Seine maximale Breite, 20 cm unterhalb der geraden Oberkannte, beträgt 67cm. Er ist 1,5cm dick. (19)

Eindeutige Aussagen über Höhe und Breite der Schilde sind unmöglich. Die Abbildungen und zeitgenössischen Beschreibungen zeigen eine zu große Bandbreite. Vom Boden bis nicht einmal zur Gürtellinie reichende Abbildungen stehen Beschreibungen gegenüber, nach denen der Schild von den Füßen bis über das Kinn ragte. Ein “Rückzeichnen” des Brienzschildes ergibt eine Höhe von etwa 109cm bei einer maximalen Breite von 67cm. Aus dem spanischen Kloster San Salvadore de Ona sind zwei Schilde erhalten, die vermutlich um 1500 hergestellt wurden. Da es sich wahrscheinlich um Nachbauten zweier älterer Schilde aus dem 11. und 12. Jhd. handelt, sind sie für uns interessant. Der eine Schild weist eine Höhe von 114cm und eine Breite von 61cm auf. Er ist 1,5cm dick. Der zweite hat eine Breite von 59cm, seine Höhe läßt sich aufgrund von Beschädigungen nicht mehr ermitteln. (19) Anhand von gefunden Schildverzierungen (kleine Schildbuckel) aus Süddeutschland und der Schweiz des 11. und 12. Jhd. ergibt sich eine Dicke des Schildes von etwa 1,3cm. Zum Vergleich: Auch byz. Texte der Epoche beschreiben Schildhöhen zwischen 100cm und 135cm bei Breiten um 60cm. (19).

Vermutlich gab es flache (siehe D4), gebogene (diverse Abbildungen) und “geknickte” (siehe P3, W3, E2) mandelförmige Schilde. Die erste Bildquellen, auf denen eindeutig gebogene Schilde abgebildet sind, stammen aus dem 12. Jhd. Unter Umständen waren die mandelförmigen Schilde des 11. Jhd., genau wie alle Funde ihrer Vorgänger, flach. Bei Betrachtung der Quellen, inklusive der späteren Schilde mit gerader Oberkannte, ergibt sich die Regel: je später die Datierung, desto stärker ist der Schild gebogen (11.-12. Jhd.). Für die Mitte des 11. Jhd. müssen wir also höchstens von einer schwachen Biegung ausgehen.

Zum Teil waren Schildbucken montiert. Der als Handschutz überflüssige Buckel diente zur Verzierung oder Verstärkung. Es wurden große, ebenfalls von Rundschilden bekannte Buckel und deutlich kleinere, den Buckel nur noch andeutende Exemplare verwendet. Diese kleinen Buckel kennen wir z.B. von den Funden der Burg Altenberg (Füllingsdorf, Kanton Basel-Land, Schweiz), der Burg Baldenstein (Gammertingen, Baden-Württemberg), der Siedlung Haus Meer (7) sowie von zahlreichen Darstellungen auf dem Teppich von Bayeux (siehe besonders D). Die auf dem Schildkörper aufliegenden Ränder der Buckel konnten schlicht oder mit Aussparungen und Durchbrüchen verziert sein. Die Buckel waren halbkugelig (P4, I4, L) oder spitz zulaufend (W2, V, F). Sie waren aus Eisen oder Bronze und wurden aufgenietet. Es existiert auch eine Vielzahl von Abbildungen ganz ohne Buckel.

 

(P4) Burg Altenberg (Füllingsdorf, Kanton Basel-Land, Schweiz), Bronze, vergoldet, 11. Jhd. Durchmesser: 7,2cm.

Es existierten Riemen, mit denen der Schild über Schultern und Hals gehängt werden konnte (I5, J, K). Zum Halten des Schildes mit Hand und Unterarm dienten entweder quadratisch angeordnete Riemen (D5) oder zwei sich kreuzende Riemenpaare (I5). Diese waren entweder direkt auf den Schildkörper genietet oder wurden mithilfe von auf dem Schild angebrachten Ringen befestigt (I6). Z. T. wurden kleine rechteckige Metallplätchen als Unterlegscheiben verwendet.

 

(D5) Quadratisch angeordnete Halteriemen.

 

(I5) Goliath aus der Bibel von St. Etienne, Nordfrankreich, ca. 1109-1111 (Bib. Munic., Dijon, MS 168, f.5r). Schön sind der Schulterriemen und die gekreuzten Halteriemen zu erkennen. Nasalhelm aus einem Stück, knielanges Kettenhemd mit integrierter Haube und langen Ärmeln, frontal geschlitzt. Mandelschild, Speer. Interessante Fußbekleidung (Stiefel? Socken?)

Es existiert kein einziges erhaltenes Exemplar eines mandelförmigenn Schildes aus dem 11. Jhd, im Gegensatz zu seinem unmittelbaren Vorgänger, dem wikingerzeitlichen Rundschild, von dem einige Exemplare erhalten sind und dem oval-eiförmigen Typ, von dem zumindest ein Exemplar gefunden wurde. Durch die Informationen aus diesen Funden und den erhaltenen hochmittelalterlichen Dreickschilden, den Nachfolgern des mandelförmigen Schildes, ergibt sich ein klares Bild seiner Eigenschaften. Der Schild bestand aus Holz. Vermutlich aus aneinandergefügten, in Richtung der Längsachse ausgerichteten Brettern. Hochmittelalterliche Schilde sind so aufgebaut, wie u.a. das bereits erwähnte Schild von Brienz. Er könnte aber auch aus dünnen, miteinander verleimten Holzschichten bestanden haben. Byzantinische Quellen lassen es zumindest für dortige Schilde vermuten. Da jedoch die in Mittel- und Nordeuropa bereits seit Jahrhunderten verwendeten Rundschilde aus einzelnen Planken aufgebaut waren, ist die Konstruktion aus aneinander gefügten Brettern wahrscheinlicher. Es wurde zumeist Lindenholz verwendet, aber auch Erle, Pappel (19) und Eiche (21). Manche Schilde waren mit Leder oder Rohhaut bespannt (siehe den Trondheimschild (EE), spätere erhaltene Exemplare, byzant. Beschreibungen). Eine Stoffbespannung - vermutlich Leinen - ist auch denkbar. Schilde ohne Bespannung sind eher unwahrscheinlich, lassen sich aber nicht ausschließen. Ob sich die Bespannung auf beiden Seiten oder nur außen befand, läßt sich nicht sagen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit können wir von einer Randverstärkung ausgehen. Die Mehrheit der abgebildeten Schilde hat einen deutlich abgesetzten Rand. Da keine Funde von Randverstärkungen aus Metall bekannt sind (wohl aber von Buckeln, Nieten und anderen metallernenVerzierungen), dürften diese Verstärkungen ebenfalls aus Leder oder Rohaut gewesen sein. Diese Verstärkung wurde vermutlich aufgenäht (klar am Trondheimschild und Rundschilden nachgewiesen und siehe mal wieder byz. Texte) oder aufgenagelt. Ebenso vorstellbar ist, daß das flächig aufgespannte Leder um den Rand herumgezogen wurde.

Die Mehrheit der Schilde auf zeitgenössischen Abbildungen ist einfarbig, z.T. mit einem farblich abgesetzten Rand. Darüber hinaus existieren zahlreiche Bemalungen. Regelmäßige (D) und unregelmäßige (D, D1) Kreuze; Balken / Streifen / Linien, sowohl einzeln als auch in Mustern (J, W2, W3, I4); gezackte Ränder (D); Fabeltiere (D); Blumen- oder sternförmige Motive (Q4, W2); umlaufende Reihe aus Punkten (Q4); Zweifarbige Bemalungen mit der Mittelachse als Trennlinie (N2, W2) sowie florale- oder rankenförmige Muster (I4). Stehts sind die deutlich (z.T. farblich und mit Mustern) abgesetzten Schildränder zu erkennen. Konkrete Gegenstände, Tiere (abgesehen von Fabelwesen), Schriften oder Symbole als Verzierung sind nicht bekannt. Wappen gabe es zu dieser Zeit noch nicht. Häufig sind Nietköpfe deutlich auf der Vorderseite des Schildes zu sehen. Die möglichen genauen Bestandteile der Farbe bzw. der Grundierung wird hier nicht behandelt.

 

Empfehlung:

Rundschild: 75 - 95cm Durchmesser. Flach oder gewölbt. Bespannung mit Rohhaut, Leder oder Leinen möglich. Schildfessel aus Holz oder Metall. Eiserner Schildbuckel der die dahinterliegende Hand sicher schützt. Bei gewölbten Schilden nicht zwingend erforderlich. Nur halbkugelige Buckel. Randverstärkung aus Rohhaut/Leder möglich. Randverstärkung und Bespannung aufnähen. Keine Randverstärkung aus Metall verwenden - Verletzungsgefahr! Dicke nicht deutlich über 1cm. Gerne zum Rand hin verjüngt. Schulterriemen möglich. Riemen und Schildbuckel aufnieten oder mit innen umgeschlagenen Nägeln befestigen.
 

Oval/eiförmiger Schild: Höhe je nach eigener Körpergröße 90 - 110cm. Breite entsprechend zwischen 45 und 55cm. Dicke etwa 1 cm. Die Form sollte in etwa den Proportionen des Trondheimschildes entsprechen. Leicht gewölbt, nicht flach! Kein Schildbuckel. Mit Rohhaut, Leder oder Leinen bespannen. Randverstärkung aus Rohhaut/Leder möglich. Randverstärkung und Bespannung aufnähen. Halteriemen nach Bedarf. Schulterriemen empfohlen. Riemen aufnieten oder mit innen umgeschlagenen Nägeln befestigen.
 

Mandelförmiger Schild: Aus Holz mit Leder- oder Leinenbespannung. Höhe: 50-75% der Körpergröße des Trägers. Breite entsprechend den Proportionen der diversen hier abgebildeten Schilde. Dicke: etwa 1-1,8cm, nicht zu dick und damit zu schwer machen. Der Schild sollte entlang der Längsachse gebogen sein. Am unteren Ende zumindest leicht abrunden, nicht in einer echten Spitze auslaufen lassen.

Schildbuckel: kleine stilisierte Schildbuckel oder große Buckel, in halbkugeliger Form. Spitze Schildbuckel sind wegen der Verletzungsgefahr verboten. Es muß kein Schildbuckel angebracht werden. Halteriemen und Schildbuckel aufnieten oder mit innen umgeschlagenen Nägeln befestigen. Köpfe nach außen. Gerne große Köpfe.

Halteriemen: je ein bis zwei Riemen quer zur Handfläche und zum Unterarm anbringen. Oder vier Riemen quadratisch anordnen. So das man hineinschlüpfgen und den Schild führen kann. Die Riemen können auch an Ringen befestigt werden. Die Ringe am besten mit einem Nagel, der wie eine Krampe umgeschlagen wird, fixieren. Ein Polster innen am Schild im Bereich des Unterarms und der Hand anzubringen ist empfehlenswert. Schulterriemen anbringen. Wenn längenverstellbar, dann mit Schnallen wie im Kapitel Kleidung/Gürtel beschrieben. Der Schulterriemen muß nicht an der selben Stelle wie die Halteriemen befestigt werden.

Holzkern: mehrere Lagen dünnes Sperrholz verleimen und dabei in die gebogene Form pressen oder richtig aus einzelnen Brettern aufbauen. Nicht zu stark biegen. Von oben auf den Schildrand gesehen solle sich höchstens einen Viertel-Kreisbogen oder weniger ergeben (ganz grob), kein Halbkreis. Komplett mit Leder, Rohaut und/oder Leinen beziehen (aufleimen). Auf jeden Fall Leder/Rohaut über die Schildkante ziehen. Entweder als Verlängerung der Komplettbespannung oder als seperater Streifen. Am Rand vernähen. Wegen der Verletzungsgefahr nach Möglichkeit nicht mit kleinen Nägeln befestigen. Darauf achten, daß separate Randverstärkungen nicht in gefährlichen Spitzen oder Kanten abstehen.

Keine Metallschilde!

Bemalung: Das Zeichen des Kontingents verwenden oder eine der hier abgebildeten historische Schildbemalung kopieren. Keine neuen Stile erfinden, keine Wappen o.ä.! Im Zweifel mal den zuständigen Offizier fragen. Keine sehr grellen Farben oder Glanzlacke verwenden.

Innerhalb des Kontingents können alle drei Schildtypen verwendet werden. Es kann jedoch für konkrete Veranstaltungen Einschränkungen geben. Bei der Schildbemalung müssen die Farben Rot und Grün deutlich dominieren.

 

(D4) Hier werden Schilde als Tischplatten benutzt, was nur bei annähernd flachen Schilden funktioniert.

 

(Q4) Apokalypse von St. Sever, zwischen 1028 und 1072.

 

(Q5) Leben des St. Aubin, Kloster von St. Aubin in Angers (Nationalbibliothek MS Nouv.acq.lat.1390 f7r), ca. 1100. Bauchig, ei-förmige Schilde mit großem Buckel und unten abgerundet.

 

(I6) Great Seal von König Henry I, 1100-1135. Deutlich sind die Ringe zu erkennen, an denen die Halteriemen befestigt sind.

 

(W2) Znaim, St. Kateriny-Rotunde, Fresko von 1134. Verschiedene Schildbemalungen, deutlich abgesetzte Schildränder. Spitze Schildbuckel bzw. keine Buckel.

 

(P3) Pfeilerrelief, Zürich, Großmünster, erste Hälfte 12. Jhd. Gebogene oder geknickte Schilde. Kein Buckel, deutlich abgesetzter Rand.

 

(W3) Bronzetür des Südportals des Gnesener Doms, 1170-1190. Gebogene oder geknickte Schilde, Bandförmige Schildverzierung. Schildbuckel.

 

Der Lamellenpanzer

Im ersten Drittel des 11. Jahrhundert herrschte ein Bürgerkrieg in der Normandie, da Robert, Graf von Hiemois, seinem Bruder, Herzog Richard III der Normandie, die Stellung streitig machte. Viele der in diesen Kämpfen weniger begünstigten Adeligen verließen zu dieser Zeit das Herzogtum, um sich andernorts, vor allem im südlichen Italien niederzulassen (14). Diese und andere Hinweise deuten auf einen Kontakt der Normandie zu byzantinisch beeinflustem Gebiet hin. Demzufolge waren Lamellenpanzer vermutlich auch in der Normandie nicht unbekannt. Auch in Skandinavien wurden Lamellenpanzer gefunden, u.a. in Birka (15). Einige Krieger in Wilhelm Armee mit sizilo-normannischer bzw. skandinavischer Herkunft dürften solche Rüstungen verwendet haben. Wir besitzen aber keine direkten Hinweise auf Lamellenrüstungen in der Normandie oder generell in Westeuropa zu dieser Zeit. Wir stellen ein Franco-Flämischen Kontingents dar und sollten, abgesehen von einer handvoll ausgewählter, weitgereister Personen, auf Lamellenrüstungen verzichten! (Nur nach Rücksprache mit dem Rüstmeister verwenden)

 

(X) Elfenbeindeckel des Psalters von Königin Melisende, frühes 12. Jhd., Kreuzfahrerstaaten. Hier sind neben einer abendländischen auch byzantinische und islamische Rüstungen zu sehen. In der Mitte unten ist eine Lamellenrüstung dargestellt. Keine Rüstung, aber auch interessant ist die Umhängetasche oben links.

 

sonstige Schutzausrüstung

Jedes an Kämpfen teilnehmende Mitglied des Franko-flämischen Kontingent muß brauchbare Handschuhe tragen. Darüber hinaus wird ein Unterarmschutz empfohlen. Diese Gegenstände sind historisch falsch und dienen nur der Sicherheit. Sie sollten dem äußeren Anschein nach aus Leder oder Stoff bestehen und im Gesamtbild möglichst nicht auffallen. Keine Plastikoberflächen, keine grellen Farben, nicht übermäßig groß. Nicht mit Kettengeflecht besetzen. Dadurch würde der Eindruck einer bis auf die Hände reichenden Kettenrüstung entstehen, die es nicht gab! Keine “Besonderheiten”, die ein Zuschauer als typisch zeitgenössisch mißverstehen könnte. Den Unterarmschutz unter der Tunika tragen.

 

Weitere Bilder

 

(T) Kathedrale von Saint Pierre in Angouleme, Poitou, Frankreich. Westfasade. Mit dem Bau dieser Kirche wurde 1108 oder 1125 begonnen. Die separate Haube ist gut zu erkennen. Helm nicht aus einem Stück.

 

(U) Kathedrale von Saint Pierre in Angouleme, Poitou, Frankreich. Westfasade. Der rechte Reiter trägt das Schwert unter dem Kettenhemd. Nur der Griff schaut hervor. Deutlich sind auch die Helme aus mehreren Einzelteilen zu sehen.

 

(F) Türsturzfragment von einer Hausfasade in Cluny. Das Haus wurde zur selben Zeit gebaut wie die romanische Kathedrale von Cluny III, Burgund, Frankreich (1115-1125) (23). Heute im Museum für Archäologie und Kunst in Cluny.

 

(V) Stabkirche in Hylestad, ca. 70km nördlich von Bergen, Norwegen. Holzschnitzerei am Eingangsportal. 12. Jhd. Bemerkenswert ist der Nackenschutz, zusätzlich zum Nasal. Drei weitere Helme sind mit einem solchen Nackenschutz an der Tür der Stabkirche zu sehen. Vergleichbares finden wir an der Schachfigur von Lewis, ebenfalls 12. Jhd.

 

(I4) Sogenannte “Temple Pyx” (Monstranz). Teil eines Reliquiars. Ca. 1140-1150. Heute Glasgow Museums and Art Galleries, Burrell Collection.

 

(D3) Teppich von Bayeux. Kettenhemden ohne Haube oder Gambeson? Helme aus Spangen und Segmenten. Der Helm ganz rechts scheint Nasal und Nackenschutz zu besitzen, ähnlich V.

 

(E2) Kathedrale von Vezelay, ca. 1120. Geknickter Schild, Schildbuckel mit verziertem Rand, deutlich abgesetzter Schildrand.

 

(Z) Codex Apocalypsis Beati Liebanensis (Codex Urgellensis) aus dem Museo Diocesa de La Seu D’Urgell, Spanien, um 980. Möglicherweise sind hier Steppwämse dargestellt.

 

(BB) Kettenhemd aus Ostrow Lednicki. Einer der extrem seltenen Hemdfunde, die sich sicher in unserer Epoche datieren lassen. Leider liegen keine genaueren Untersuchungen vor.

 

(F2) Augsburg 1582. Ein Reiterharnisch von Kurfürst Christian I in der Rüstkammer des Zwingers von Dresden (18). Unvernietetes Kettengeflecht. Obwohl ansonsten voll funktionstüchtig, wurde diese Rüstung vermutlich eher zu repräsentativen Zwecken genutzt.

 

Quellenangaben:

  • (1) Byzantinische Waffen, Taxiarchis G. Kolias, Verlag der östereichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1988, ISBN 3-7001-1471-0
  • (2) Catalogue of Scandinavian Mail, Sonia A. O'Connor, The Archaeology of York, Volume 17: The Small Finds, York Archaeological Trust for Excavations and Research 1992.
  • (3) Letter form Irmelin Martins, Senior Curator, Universitets Oldsaksamling in Oslo, Norway, 16/11/94
  • (4) Europas Mitte um 1000, Ausstellungskatalog, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1545-6
  • (5) Osprey Campaign Series 13 (Hastings 1066)
  • (6) Bayern Ungarn 1000 Jahre, Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001, Haus der Bayerischen Geschichte, ISBN 3-927233-78-1
  • (7) Das Reich der Salier 1024-1125, Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1992, ISBN 3-7995-4140-3
  • (8) The Construction and Metallurgy of Mail Armour in the Wallace Collection by David Edge B.A., Dip. Cons. (Curator of Arms and Armour)
  • (9) Otto der Große, Magdeburg und Europa", Katalog Bd II, Verlag Philipp v. Zabern, 2001
  • (10) Ekkehardi IV (Kap 51): Casus Sancti Galli. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980 (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters) (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 10)
  • (11) Wargames ResearchGroup Publication, 2nd edition, 1980
  • (12) Osprey Warrior Series 3 (Viking Hersir)
  • (13) Ritter und Söldner im Mittelalter von Garry Embleton, VS- Books, ISBN 3-932077-06-7
  • (14) Wilhelm der Eroberer, David C. Douglas, ISBN 3-424-01228-9
  • (15) Steppe nomadic armour from Birka, Niklas Stjerna, Fornvännen 99 (2004). Stockholm. (http://www.vikingsna.org/translations/birkaarmour/)
  • (16) Armour from the Battle of Wisby 1361, von Bengt Thordeman, ISBN 1-8914-4805-6
  • (17) Ring weave, A metallographical analysis of ring mail material at the Oldsaksamlingen in Oslo, Vegard Vike, Oslo 2000
  • (18) Rüstkammer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Deutscher Kunstverlag 2004, ISBN 3-422-06417-6
  • (19) Der Mittelalterliche Reiterschild, Jan Kohlmorgen 2002, ISBN 3-935616-10-4
  • (20) Ring Mail, Breaking the Chain, Russell Scott, The Vikings 1997
  • (21) Illerup Adal: Archaeology as a Magic Mirror, Ilkjaer, Moesgard 2002, ISBN 8787334372
  • (22) Otto der Große - Magdeburg und Europa, Katalog, Philipp von Zabern 2001, ISBN 3-8053-2616-5
  • (23) Führer durch das Museum für Archäologie und Kunst in Cluny, Ville de Cluny 1998, ISBN 29512780-0-4
  • (24) Medelelser Nr. 20, Eine Funktions- und Aktivitätsanalyse basierend auf Gegendstandsmaterial, Saebjorg Walaker Nordeide, Trondheim 1989; sowie weitere Angaben der zuständigen Professorin, des Archivars und das Grabungsleiters (Grabung 1975)

Bildernachweis:

  • A) Wikinger Waräger Normannen, Die Skandinavier und Europa 800-1200, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen zu Berlin 1992, ISBN 87-7303-559-9, Seite 194.
  • B) Europas Mitte um 1000, Ausstellungskatalog, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1545-6, Seite 392 (B2), 528 (B1)
  • C) Christian Bründel (www.reenactors.de) und Henry Skodell (www.reenactment.de)
  • D) Der Teppich von Bayeux, Mogens Rud, 1. Ausgabe, 2. Auflage 1996, ISBN 87-7241-697-1, Seite 53 (D1), 68 + 74 (D2), 62 (D3), 71 (D4), 51+86 (D5).
  • E) Osprey Elite Series 19 (The Crusades), ISBN 0-85045-854-4, Seite 31(E), 20 (E2), 13 (E3).
  • F) Henry Skodell (www.reenactment.de)
  • G) Osprey Men-at-Arms Series 85 (Saxon, Viking, Norman), Seite 29 (G1), 32 (G2), 27 (G3)
  • H) Osprey Men-at-Arms Series 75 (Armies of the Crusades), Seite 22.
  • I) Osprey Warrior Series 1 (Norman Knight), Seite 3 (I1), 6 (I2), 45 (I3), 52 (I4), 32 (I5), 28 (I6), 49 (I7).
  • J) 1250 Jahre Bistum Würzburg, Begleitband zur Ausstellung im Marmelsteiner Kabinett, Echter Verlag Würzburg 1992, ISBN 3-429-01444-1, Seite 68.
  • K) Osprey Warrior Series 3 (Viking Hersir), Seite 60.
  • L) Europas Mitte um 1000, Band 2, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1545-6, Seite 741.
  • M) Codex Aureus Epternacensis, Das Goldene Evangelienbuch von Echternach, Kahsnitz-Mende-Rücker, S.Fischer Verlag 1982, ISBN 3-10-757813-4, Tafel 10.
  • N) Zeitenwende, Europa und die Welt vor 1000 Jahren, Franco Cardini 1995, ISBN 3-7630-2320-8, Seite 132 (N1), 143 (N2).
  • O) Bayern Ungarn 1000 Jahre, Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001, Haus der Bayerischen Geschichte, ISBN 3-927233-78-1, Seite 112.
  • P) Das Reich der Salier 1024-1125, Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1992, ISBN 3-7995-4140-3, Seiten 101 (P1), 104 (P2), 493 (P3). 104 (P4)
  • Q) Osprey Campaign Series 13 (Hastings 1066), Seite 15 (Q1), 17 (Q2), 37 (Q3), 22 (Q4), 48 (Q5).
  • R) www.tgorod.ru (Leider habe ich in den Fachpublikationen nur Beschreibungen, aber keine Abbildung gefunden.)
  • S) Otto der Große - Magdeburg und Europa, Katalog, Philipp von Zabern 2001, ISBN 3-8053-2616-5, Seite 218+219 (S1), 258 (S2 links und www.tgorod.ru rechts)
  • T) Steven Lowe (http://www.angelfire.com/empire/egfroth/HastingsCoifs.htm). Aus dem Buch “Hastings 1066 – Norman Cavalry and Saxon Infantry” (Original in Französisch)
  • U) http://www.camden.rutgers.edu/dept-pages/german/rolandart.html
  • V) http://www.khm.uio.no/samlinger/oldsak/oldsak_gb4.shtml
  • W) Europas Mitte um 1000, Band 1, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1545-6, Seite 468 (W1), 432 (W2), 149 (W3)
  • X) Osprey Elite Series 9, (The Normans), Seite 51.
  • Y) Der Mittelalterliche Reiterschild, Jan Kohlmorgen 2002, ISBN 3-935616-10-4, Seite 48.
  • Z) http://casal.upc.es/~ramon25/beatus/beat_82b.jpg
  • AA) 49. Auktionskatalog, Hermann Historica München 2005, Los 204
  • BB) Skyllis, Zeitschrift für Unterwasserarchäologie, 2. Jahrgang 1999, Heft 1, ISSN 1436 3372, Seite 52
  • CC) http://storm.nazwa.pl/wiki/images/7/72/Helmlednica01.jpg
  • DD) http://www.danu.co.uk/gallery/info/crosses/middleton.html
  • EE) Medelelser Nr. 20, Eine Funktions- und Aktivitätsanalyse basierend auf Gegendstandsmaterial, Saebjorg Walaker Nordeide, Trondheim 1989